Historie Fasching in Krofdorf

62 Jahre Krofdorfer Fastnacht

Ein Bazillus aus Böhmen

Maskenball

Sie kamen aus dem Kreis Falkenau, Heimatvertriebene und Flüchtlinge, die nach dem zweiten Weltkrieg ihre Heimat im heutigen Tschechien verloren hatten und einige Zeit später in Krofdorf-Gleiberg mit wenig Hab und Gut ankamen. In ihrem Fluchtgepäck brauchte es so gut wie keinen Platz, es war gut verstaut doch jederzeit zur Hand, es war das Kulturgut „Fastnacht“.

„Was ??? Fassenocht – doas gebt’s hej net !“

Im Februar 1948 fand zum ersten Mal ein Maskenball statt, unter originellem Motto, im großen, geschmückten  Saal der Gastwirtschaft von August Bender tanzte man und feierte Fastnacht bis in die frühen Morgenstunden. „Da ging’s hoch her“, erinnert sich noch so mancher. Es gab fantasievolle  Kostüme, die prämiert wurden. Ja sogar ein Prinzenpaar hielt Einzug und ein Saalpolizist  sorgte für die „innere Ordnung“. Es sprach sich auch unter den alteingesessenen Oberhessen rum …..

„Fassenocht – doas muss je was oarg Schienes sei, doh gieh mir des nächs’de Mo ach hie!“

Buntes Treiben beim ersten Maskenball 1948 (Foto: Heimat und Geschichtsverein)

Die erste Kappensitzung

Wo sonst als bei der „Schneidersche“  (Marie Abel), der lustigen Frankfurterin, die für Alles zu haben war  und die von echten Krofdorfern liebevoll als „Mißgebirtche“ bezeichnet wurde,  sollte 1954 der erste Kappenabend stattfinden. Ins Leben gerufen wurde er von Franz Till,  dem Vater der Krofdorf-Gleiberger Fastnacht.

Franz Till, der Heimatvertriebene aus Michelberg, Kreis Falkenau im Egerland war „der Anstifter“, der, der in Krofdorf, seiner neuen Heimat, wieder Fasching feiern wollte, wie er es zu Hause immer getan hatte. Er stieß auf Gleichgesinnte wie Resi und Joseph Hohma, die sich noch heute erinnern:

  • Da wo schon die Oma gesagt hatte: “ Man muss im Jahr einmal auf Fasching gegangen sein – das bringt das ganze Jahr Glück“.
  • Da wo man eben über diese Oma sagte:“ Die kann so alt  wern, wie sie will, der vergeht doch nix!“
  • Da wo man zu  Fasching die Geister des Winters ausgetrieben hatte
  • Da wo es schon lange Kappenabend, Faschingssitzung, Umzug und Kinderfasenacht gab.
  • Da wo viele andere herkamen, die sofort dabei waren als es hieß „auf zum Kappenabend bei Schneidersch nach dem Motto „aus der Heimat vertrieben – der Humor ist geblieben“

 

1954 erster Elferrat mit Franz Till an der Spitze beim Kappenabend (Foto: privat Resi Hohma)

Legenden singen in Krofdorf

Die Fastnachtsveranstaltungen schlugen ein – von Nah und Fern kamen die Besucher – für Franz Till Grund genug, weitere Maskenbälle und Fremdensitzungen zu  planen. Der Saal wurde geschmückt getreu den „Wiener Wäschemadeln“ oder „eine Nacht im Kaiserwald“ das Prinzenpaar wurde gewählt, die Schönst-Maskierten wurden prämiert …und es gab auch „a Schnapsbud“

  • das warn oft Wißmarer, die ham oft alle Preise abgeräumt
  • da war immer eine Stimmung, einmal sin mer erscht um halb acht morgens ham
  • da kamen auch viele jung’ Krofdorfer
  • um sechs sin mer schon hin und ham Platz gehalten, wenn’s um acht anfing

Der Präsident Franz Till, sein Elferrat und der Zeremonienmeister Bürkle konnten 1955, beim guten Freund im Saal unter einem dicken Ofenrohr sitzend, sogar eine Legende der Mainzer Fassenacht ansagen und begrüßen. Toni Hämmerle, der blinde Komponist von Klassikern wie „Heile, Heile Gänsche“, „Humba Humba Humba Täterä“ und „Gell’ du hast mich gelle gern“, wohnte mittlerweile in Gießen  und arbeitete als Telephonist an der Universität. Er ließ sich nicht lange bitten, in der neuen oberhessischen Hochburg des Humors das Schifferklavier umzuschnallen und seine Lieder zum Besten zu geben.

Mit von der Partie waren aber auch die Gießener Komikergröße Rüspeler und bereits einige Krofdorfer, wie Anne Rose Rinn geb. Penzel aus den Reihen des Gesangs- und des Turnvereins.

Toni Hämmerle, geb. 1914 in Mainz verlor im zweiten Weltkrieg sein Augenlicht. Aus seiner Feder stammten die Lieder, mit denen  die Karnevalsgrößen aus Mainz Ernst Neger und Margit Sponheimer  bekannt wurden. 1950 zog Toni Hämmerle nach Gießen, wo man seine Gedenkbüste gegenüber dem heutigen Finanzamt bewundern kann. (Foto: privat Resi Hohma)

1955 Anne Rose Rinn geb. Penzel als Berliner Mira mit ihrem Vortrag „Ach Gott wat sind de Männer dumm" (Foto privat: Walter Rinn)

Till und seine Mitstreiter,  organisierten den  Kappenabend schmückten den Saal, stellten ein Programm auf die Beine und man hört:…

  • das war zwar net wie heut – mir ham unsere Kappe all selbst mache müsse… und mir ham viel, viel improvisiert,
  • beim Aufbau guckt Egon Kluge durch durch’s Fenster – Till darauf hin – „Egon, was machst Du dann hier ? Gut, dass de kommst – hast du an schwarze Anzug? Gut, dann bist Du heut Abend im Elferrat.“
  • aber der Hämmerle und der  Rüspeler, die kamen  gern nach Krofdorf, hier war ja auch immer was los

1955 Komikergröße Rüspeler aus Gießen (Foto privat: Resi Hohma)

Eine echte Krofdorferin aus der Wiesenstraße ist am morgen nach der Sitzung aufgewacht und wunderte sich: „Worim hun ech dann bluß so schworze Feus ???“ Der Ehemann daraufhin: „Weil de off dem Hamweg ka Schouh mie oh hatt’st!“  

So sollte es bleiben, denn, „...wej is es en Krofdich so schieh…“  Auf diese erste Fremdensitzung folgten noch viele andere. Dank des Einsatzes der Mitglieder des „Bundes der vertriebenen Deutschen“ (BvD)  und ihres Engagements, ihre Kultur in ihre neue Heimat  weiter zu tragen. Die Faschingsveranstaltungen fanden großen Anklang und viele Krofdorfer  stellten schnell  fest, dass in ihren Adern wohl auch närrisches Blut floss, so schlossen sich 1958 BvD, Gesangverein Krofdorf und TSV Krofdorf-Gleiberg zusammen, fundamentierten und bauten den Krofdorfer Fasching weiter aus.